Samstag, 20. Februar 2010

Ausstellungstipp: Jonas Bendiksen - The Places We Live

Im C/O Berlin, ehemaliges Postfuhramt, Oranienburgerstr. 35/36
Noch bis 28. Februar 2010

Brasilien, Afrika, Indien, Java… Reisen bildet, heißt es ja immer. Das sind Erinnerungen, die einem niemand mehr nehmen kann. Das heißt es ebenfalls. Aber erinnern wir uns tatsächlich ein Leben lang an all die Reise-Erlebnisse? Erinnern wir uns vor allem nicht nur an die Palmen, den weißen Sandstrand und das türkisfarbene Meer? Oder erinnern wir uns auch daran, dass die meisten Familien in diesen Ländern im Jahr so viel verdienen, wie wir mal schnell nebenbei im Duty Free Shop am Flughafen ausgeben oder in einer Woche im Supermarkt einkaufen? Das soll jetzt kein Appell an die Moral werden, denn dass wir daran nicht jeden Tag denken ist klar, und das ist auch gut so. Allerdings würde uns ein bisschen Besinnung auf den unfassbaren Wohlstand, in dem wir hier leben, gar nicht so schlecht tun. Nicht aus Mitleid. Mitleid ist grundsätzlich ein unehrliches Gefühl und steht bei den meisten für „Gott sei Dank bin ich nicht betroffen“. Besser: Mitgefühl im Sinne von sich bewusst machen, wie privilegiert wir sind.
Die perfekte Motivation dafür vermittelt der Fotograf Jonas Bendiksen mit seiner Ausstellung „The Places We Live“ im C/O Berlin. Bendiksen hat Slums bzw. Favelas und deren Bewohner in Caracas, Jakarta, Mumbai und Nairobi fotografiert. Die Aufnahmen sind einzigartig und auf eine ganz besonders authentische Weise präsentiert. Der Ausstellungsraum ist dunkel und in einzelne kleine Zimmer unterteilt, in die man durch einen Vorhang gelangt. Den Weg weisen dem Besucher schummrige bunte Lichterketten an der Decke. Jedes Zimmer hat vier Wände, auf die die Bilder aus den Slums projiziert sind. Dazu Ton – mit Geschichten aus dem Leben der Bewohner. Der Besucher betritt die einzelnen Zimmer und ist sofort mitten im Wohnraum der Bewohner. Paradox ist, dass man dabei dennoch kein beklemmendes Gefühl bekommt. Das Leben ist dort, wie es eben ist. Nicht beschönigt, aber auch nicht abstoßend. Die Leute haben nicht viel zum Leben – aber die Mutter dekoriert dennoch das Zuhause, die Kinder machen Hausaufgaben und die Männer gehen arbeiten. Ein eigener, kleiner Mikrokosmus. Als Besucher ist man eher interessiert, daran teilzuhaben und mehr darüber zu erfahren, als dass man erschrickt oder gar das Weite sucht. Keine Frage - das Klischee von Drogen, Dreck, Bandenkriegen und Gewalt in den Slums ist bei Weitem nicht nur ein Klischee. Aber es ist auch nur eine Seite der Medaille. Jonas Bendiksen zeigt die andere Seite: die Normalität in diesem Leben.

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